Quelle: https://anfdeutsch.com/hintergrund/wenn-die-mangroven-weinen-42488

Das Megaprojekt GPM im brasilianischen Bundesstaat Maranhão bedroht indigene Gemeinschaften und einzigartige Ökosysteme – auch deutsche Akteure planen eine Beteiligung.

Im umzäunten Dschungel sah ich einen lebenden Baum, der weinend einen toten Baum hielt (¹)

und es wird ein krokodil den fischen und vögeln gedichte vorlesen,
von den mangroven,
die eines lang vergangenen tages fast wurzeln fassten,
dort,
dort wo früher der potsdamer platz war

Vor drei Jahren standen Vertreter:innen des Nationalen Kongresses der Indigenen in Mexiko (Congreso Nacional Indígena, CNI) vor dem DB-Tower in Berlin. „In euren Wagons fährt die Auslöschung unserer Völker mit“, rufen sie in Richtung des noch beleuchteten doch toten Büroturms auf dem Potsdamer Platz. Sie protestieren gegen die Beteiligung der Deutschen Bahn am Tren Maya. Das Infrastrukturprojekt bildet im Verbund mit dem interozeanischen Korridor die Grundlage einer territorialen Neuordnung des Südosten Mexikos: Verwaltet vom Militär, begleitet durch eine enorme Zunahme organisierter Kartell-Gewalt und vorangetrieben von nationalen und transnationalen Konzernen sollen indigene Gemeinschaften und ihre kleinbäuerliche Lebensweise dem „Fortschritt“ weichen, wie ihn die Mall The Playce dieser Betonwüste vorlebt, aus der, wie es scheint, nur Hochhäuser zu sprießen vermögen. Die DB beteiligt sich trotz internationaler Abkommen zum Schutz indigener Völker, Kritik und Protest über ihr Tochterunternehmen „DB Engineering & Consulting“ (Teil der DB-ECO-Group) an dem Vorzeigeprojekt des scheidenden mexikanischen Präsidenten, der kurz vor der vergangenen Wahl seiner Nachfolgerin noch die Ausweitung des Tren Maya und des interozeanischen Korridors nach Guatemala ankündigte. Massentourismus, Industrieparks, Monokulturen, urbane Zentren, Minen, Pipelines und Raffinerien vertreiben hier die verschiedensten Bewohner:innen zunehmend zerstörter Regenwälder, süßwasser-speichernder Höhlensysteme, Korallenriffe und Mangroven.

Mangroven, soweit das Auge reicht. Drei Jahre nach dem CNI-Protest sind Vertreter:innen der brasilianischen Menschenrechtsorganisation Justiça nos Trilhos (JnT) (Gerechtigkeit auf den Schienen) in Berlin. In der Rosa-Luxemburg-Stiftung sprechen Flávia da Silva Nascimento und Mikaell de Souza Carvalho am 30. Mai 2024 über ein geplantes Megaprojekt, dass auch sie am Folgetag vor den DB-Tower auf dem noch immer toten Potsdamer Platz führt.

Die Infoveranstaltung beginnt mit einem Video von der Insel Cajual. Mangroven, weiße Strände, Palmenwälder und noch mehr Mangroven beherbergen hier tausende Tier- und Pflanzenarten. Und das schon lange: „Die Küsten im Osten der Insel beherbergen die bedeutenden archäologischen Fundstätten Falésia do Sismito, Ponta Leste und Laje do Coringa, die riesige Mengen Fossilien aus der mittleren Kreidezeit vor etwa 95 Millionen Jahren enthalten, darunter Dinosaurier, Krokodile, Schildkröten, Fische und Baumfarne.“(²) Ihre nicht-fossilen Nachfahren tummeln sich in dieser Welt zwischen Wald und Meer: Seeotter, Seekühe, Delfine – besucht werden sie jährlich von über 150.000 Zugvögeln, und stark gefährdete Arten wie dem Scharlachsichler bietet die Insel ein wichtiges Brutgebiet.(²)

Auch Menschen ist diese Küste seit langer Zeit ein Zufluchtsort, der eine geliebte Heimat geworden ist, aus der Hölle heraus: Hier liegen Gemeinden der Quilombolas, den Nachkommen versklavter Menschen aus Afrika, die von den Plantagen und am Ende des 19. Jahrhunderts nach der Abschaffung der Sklaverei in Brasilien auf die Insel flohen.(²) Ihr behutsamer Umgang im Fischfang und traditioneller Landwirtschaft trägt dazu bei, dass dieser Mangrovenwald, der sich auf dem nahegelegenen Festland weiter erstreckt, nicht nur das größte zusammenhängende Mangrovensystem der Welt bildet – sondern das am besten Erhaltene.

Man sagt, dass die dritte Generation nach einem Trauma eine Chance hat, frei zu sein (¹)

Vor allem Portugal hatte vom Sklavenhandel nach Brasilien profitiert, manchmal mit Unterstützung anderer Kolonialmächte und ihrer Akteure, auch aus Deutschland. Doch die Quilombolas leisteten Widerstand, überlebten, und gewannen ein Territorium. Drei Generationen später planen drei portugiesische Unternehmer und ihre vorgesehenen Verbündeten – u.a. aus Deutschland – die Zerstörung der Menschen und Mangroven in Amazonien, im brasilianischen Bundesstaat Maranhão, um weiter zu profitieren von der Ressourcenverschiffung in den Globalen Norden.

„Das geplante Projekt Grão Pará Maranhão (GPM) sieht die Errichtung eines privaten Tiefseehafens samt Terminals – Terminal Portuário de Alcântara (TPA) auf der kleinen Insel Cajual am Atlantik vor. Von dort sollen Rohstoffe wie Soja, Erze und Wasserstoff für den Export verschifft werden, um den Rohstoffhunger Chinas, Europas und der USA zu befriedigen. Über eine ebenfalls geplante private 520 Kilometer langen Eisenbahnlinie (EF-317) zwischen Açailândia im Landesinneren und Alcântara am Atlantik sollen die Rohstoffe zu dem Hafen transportiert werden. Die Güterbahnlinie wird 21 Gemeinschaften durchqueren. Auch drei Quilombola-Gebiete sind von der Bahntrasse direkt betroffen. Zudem wird die Strecke der Bahnlinie direkt durch 16 Agrarreformsiedlungen hindurchführen, d.h. durch Gebiete des brasilianischen Staates, die ausschließlich für die produktive Tätigkeit von kleinbäuerlichen Familien bestimmt sind. Die Bahnlinie EF-317 wird zudem voraussichtlich sehr nah an sechs indigenen Gebieten verlaufen. In Awá, Caru, Alto Turiaçu und Arariboia gibt es eine offiziell anerkannte Präsenz indigener Gruppen in freiwilliger Isolation. Die unkontaktiert lebende indigene Bevölkerung ist bereits durch andere Faktoren ernsthaft bedroht, wie das Eindringen illegaler Holzfäller in die Wälder, die kriminelle Abholzung durch große Viehzüchter und Sojaproduzenten und das Eindringen illegaler Bergleute. Darüber hinaus ist ein Teil dieser indigenen Gebiete bereits von der Carajás-Eisenbahn des Bergbaukonzerns Vale betroffen.“(²)

Von dieser Eisenbahn des Vale-Konzerns können Flavia und Mikaell ein Lied singen. Ein trauriges Lied, denn wie soll gesungen werden in Gemeinden, die mehrmals täglich von einem donnerndem, drei Kilometer langem Güterzug durchschnitten werden? „Wir sehen keine grüne Farbe mehr, nur noch den Staub der Erze“. Im Widerstand gegen diese Bahnstrecke, der Estrada de Ferro Carajás (EFC) gründete sich die Organisation Justiça nos Trilhos. Von der größten Eisenerzlagerstätte der Welt, mitten im Amazonas Regenwald, führt sie durch Gemeinden und Schutzgebiete zum Exporthafen am Atlantik bei São Luís und missachtet dabei seit Jahrzehnten die Grundrechte der vom Zug durchschnittenen Gemeinden: „Manchmal bleibt der Zug einfach in einer Ortschaft stehen, und niemand weiß, wann er weiterfährt“, erklärt Mikaell. „Wie eine drei Kilometer lange Mauer trennt er dann Familien voneinander oder Schüler:innen von ihrer Schule. Viele klettern unter dem Zug hindurch, und wir haben viele Fälle von Unfällen und Todesfällen“. Der Zug durchschneidet nicht nur ganze Dörfer, sondern auch einzelne Häuser: „Viele Risse entstehen in den Gebäuden nahe der Strecke“.

„Justiça nos Trilhos vernetzt die Bewohner:innen, organisiert Treffen und Veranstaltungen, unterstützt bei der Selbstorganisation, gibt mit ihren Anwält:innen hilfreiche Rechtsberatung und verklagt auch schon mal im Namen der Betroffenen die verantwortlichen Firmen und den Staat.“(³) Durch diese Arbeit wissen Flavia und Mikaell genau, dass die Versprechen von Wohlstand durch die Eisenerzminen („Manchmal bieten sie den Bau einer Schule oder anderer Einrichtungen als soziales Programm an, aber es hat keinen Sinn eine Schule zu bauen, wenn keine Lehrer da sind oder Ausbildungen folgen“) genauso wenig eingehalten werden wie die Beteuerungen, der Zug hätte kaum negative Folgen für die Gemeinden („Wie kann es sein, das die neue Bahnlinie [des GPM-Projekts] auf einmal positivere Auswirkungen haben soll, als die Linie des Vale-Konzerns? Wir wissen, dass ihre Versprechen nicht stimmen!“). Und so forschte der Widerstand von Justiça nos Trilhos eigenständig nach, um die genauen Pläne und Auswirkungen des neuen GPM-Projekts in Erfahrung zu bringen und mit den Gemeinden zu teilen – denn diese haben, entgegen nationalen und internationalen Vorschriften und bis heute – kaum Informationen über das sie bedrohende Projekt erhalten:

„Sechs Monate haben wir recherchiert, um zu erfahren, wo genau die Zugstrecke verlaufen soll. Erst wurde uns bei den Behörden gesagt „Wir wissen nichts“, als wir uns auf das [brasilianische] Informationsfreiheitsgesetz beriefen, erhielten wir Informationen, auch solche, welche die Firmen als vertraulich geheim halten wollten. Nach vielen Tagen und beharrlichem Nachfragen [bei Landes- und Bundesbehörden] erhielten wir erste Informationen zum Hafen- und Schienenprojekt, und konnten wie in einem Mosaik immer mehr eine Karte der betroffenen Region erstellen, die sich stark von denen auf den Firmenwebseiten unterscheidet.“

Da ist beispielsweise die Quilombola-Gemeinde Tanque de Valença. Sie tauchte in den Angaben der Konzerne nicht auf als Gemeinde, die vom GPM-Projekt betroffen ist und längst hätte konsultiert werden müssen. „Es wird so getan, als gäbe es die Gemeinde einfach nicht, dabei wird der Zug mitten durch sie verlaufen. Wir besuchten sie also, und dort waren alle total überrascht, niemand wusste etwas…“

Doch die beiden beunruhigt nicht nur der Zug und die Schienen allein, sondern das, was er mit sich bringt: „Die Eisenbahnlinie zieht weitere Projekte nach sich: Wir müssen zunächst sehen, was sie transportiert, vor allem Soja, auch Erze. Noch mehr Kapazitäten für den Export bedeutet also auch eine Ausweitung der Soja-Anbaugrenze.“ Genau diese Entwicklung führt in dem Bundesstaat und ganz Amazonien bereits zu massiver Umweltzerstörung und Gewalttaten im Interesse von Großbauern gegen kleinbäuerliche Familien, einschließlich bewaffneter Konflikte und Vertreibungen. „Maranhão ist der Bundesstaat mit einer der höchsten Raten an Gewalt und Morden an der indigenen Bevölkerung. Der Bau einer neuen Trasse und eines neuen Exporthafens wird den Druck auf die bestehenden Landflächen – und somit die Zahl der blutigen Landkonflikte – weiter zuspitzen“, bestätigen auch die NGOs Misereor und der Verein „Rettet den Regenwald“.(²) Die brasilianischen Aktivist:innen stimmen ihnen zu: „Die längst bestehenden territorialen Konflikte werden verschärft. Der große Agrobusiness ist der Gewinner, die Gemeinden die Verlierer, wir kennen diese Entwicklung bereits. Es geht uns dabei auch um das, was entlang der Bahnstrecke passiert, die Wertschöpfungskette, die sie ermöglichen soll.“

Und so berichtet Flavia von den Stahlwerken, die den Vale-Zug seit 1987 begleitet und ihre Heimat zerstörten: „Wir lebten unter den Hochöfen, den Zementfabriken, den Parkplätzen, den Mülldeponien, das ganze vom Zug durchzogene Munizip gehört den Firmen. Ich wollte diesen Ort, an dem ich geboren war, aber nicht verlassen, da ich den Fluss nicht mitnehmen konnte. Dieser Fluss ist unser Leben, das Land ist unser Leben, aber dann kommen die Maschinen, und niemand hat dich gefragt.“ Schon ihr Vater war im Widerstand, Flavia kämpft seit 2015 bei JnT: „Als Kollektiv junger Forscher:innen aus der Gemeinde haben wir nachgewiesen, dass die Staubbelastung der Fabriken die Krankheiten hervorrief, unter der viele in der Gemeinde gelitten haben. Wir wollen nicht gehen, aber wir mussten, wir konnten eine Umsiedlung erkämpfen, aber wir wollen zurück. Ich will, dass meine Kinder einmal in unserem Fluss baden können. Wir müssen stark sein, und immer weiterkämpfen.“

Seit über dreißig Jahren erleben Familien wie die von Flavia, dass ein Vorhaben wie das nun geplante GPM-Projekt sie durch mehr bedroht als eine Zugschneise: Immer mehr Soja-Anbauflächen unter Kontrolle von Großgrundbesitzern, staubige Minen und giftige Fabriken („und woher kommt die Energie für sie?“) füllen schließlich erst die Wagons – allein beim bestehenden Vale-Zug hängen bis zu 350 von ihnen an einem der donnernden Züge – „diese Waggons transportieren sehr viel Reichtum, Reichtum, der eigentlich den Gemeinden gehört, aber sie sehen nur den vorbeirauschenden Zug, das ist die Farce des Entwicklungsdiskurses“, ergänzt Mikaell.

Ihrer Arbeit ist es zu verdanken, dass die Dimensionen des Projektes allmählich ersichtlich werden: „Die größten Schiffe der Welt sollen den neuen Tiefseehafen ansteuern können, und bereits jetzt haben wir Hinweise auf eine Verdopplung der geplanten Anlegestellen – bevor das Projekt überhaupt begonnen hat, reden sie bereits von der Ausweitung. Genau wie bei der Vale-Eisenbahn von 1985.“

Es geht nicht um eine Zugstrecke und einen Hafen, sondern um die Neuordnung eines geschützten Territoriums, in dem indigene-, Quilombola- und kleinbäuerliche Gemeinden eine der artenreichsten Regionen der Welt verteidigen: „Wir sind also nicht hier her nach Deutschland gekommen, um Gespräche zu führen, wie man die negativen Auswirkungen des Projekts vermindern kann, sondern um das Projekt als Ganzes abzulehnen! Wir sind hergekommen, um Stress zu machen.“ Die Infoveranstaltung endet mit dem Aufruf zur gemeinsamen Demonstration vor dem DB-Tower.

Vor drei Jahren sprachen die indigenen Aktivist:innen des mexikanischen CNI vor diesem Tower, denn auch sie sind bedroht durch ein Projekt, das bei allen Unterschieden viele Parallelen aufweist zum GPM-Vorhaben in Brasilien: Zwar ist der Tren Maya auch ein touristischer Zug für den Personenverkehr, doch begleitet wird er, angebunden an den interozeanischen Korridor, wie in Brasilien durch Güterstrecken, Straßen und den Ausbau von Häfen, um Produkte der Monokulturen, Minen und Fabriken nach Europa, China und in die USA zu transportieren. Völlig unterschiedslos ist bei beiden Projekten die koloniale Beteiligung deutscher Akteure:

„Die DB E.C.O. Group hat ein Memorandum of Understanding (MoU) mit Grão-Pará Maranhão (GPM) über die gemeinsame Projektentwicklung und den späteren Betrieb der Eisenbahn unterzeichnet“, wobei „die DB Engineering & Consulting die Rolle des „Shadow Operator“ übernimmt“, informiert die DB E.C.O. Group. Die staatliche deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die ebenfalls staatliche deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) „prüfen bereits, wie das Projekt unterstützt werden kann“, schreibt die Brasilien-Direktorin der KfW, Saskia Berling, auf LinkedIn –  und wie in Mexiko ist die Konzernbeteiligung als „shadow operator“ eng gekoppelt an die politischen Verantwortlichen auch in Deutschland: Die Vermittlung zu den deutschen Konzernen erfolgte auch in Brasilien über die deutsche Botschaft: „Auf Einladung des deutschen Botschafters in Brasilien, Heiko Thoms, hat die DB zusammen mit brasilianischen Politikern, EU-Funktionären und Firmenmanagern (darunter von Siemens) Ende Januar  an einer Präsentation des Projekts durch die Betreiber von GPM in der deutschen Vertretung in Brasilia teilgenommen, in dessen Rahmen die DB E.C.O. Group auch die angestrebte Partnerschaft mit dem Betreiberkonsortium vorgestellt hat. Nach Informationen der Agência INFRA soll die Deutsche Botschaft Informationen über das Projekt angefordert und den deutschen Bundeskanzler Olaf Scholz instruiert haben, um das Thema während seines Gesprächs mit Präsident Lula da Silva im Rahmen seines Staatsbesuchs Ende Januar in Brasilien zu behandeln.“(²)

Und noch eine Parallele lässt sich zwischen den beiden kolonialen Projekten ziehen: Deutsche Unternehmen und die Bundespolitik gehen auf Kritik zu Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen nicht nur nicht ein, sie betonen sogar die Vorteile der Projekte für Menschen- Umwelt- und: Klimaziele:

„Die Vorteile des Eisenbahn- und Hafenprojekts lägen in der Sorgsamkeit in Bezug auf soziale und Umweltbelange sowie in den Möglichkeiten, die sich durch die Nähe zu Europa für die Entwicklung des Energiebereichs ergeben“, erklärt Peter Mirow, Leiter der DB in Brasilien, gegenüber Agência INFRA. Hierbei könnte es sich um Flüssiggas aus geplanten Fracking-Projekten im Landesinneren von Maranhao und um Erdöl, das vor der brasilianischen Küste aus der Tiefsee gepumpt werden soll, handeln.(²)

Während GPM den Amazonas Regenwald auf seinen Karten, die auch die DB auf ihrer Website verbreitet, einfach künstlich um Kilometer nach Westen verschiebt, um den Eindruck zu erwecken „dass die Produktion der brasilianischen Landwirtschaft in den nächsten zehn Jahren um 180 Prozent wachse, ohne einen Baum zu fällen“, betont die deutsche Politik (in Mexiko und Brasilien) die Möglichkeiten der Gewinnung „grüner Energien“ durch die Projekte unter stattfindender bzw. geplanter DB-Beteiligung: „Als möglichen Partner zum Bau eines Exporthubs für erneuerbare Energien und „grünen Wasserstoff” sollen die Projektbetreiber Gespräche mit Siemens geführt haben. Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) finanziert bereits über die GIZ die Ausweitung der Produktion von „grünen Wasserstoff“ in Brasilien für den lokalen Verbrauch und den Export. Dazu wurde u.a. eine deutsch-brasilianische Allianz für „grünen Wasserstoff“ gegründet. Die DB E.C.O. Group selbst spricht davon, dass „die geplante Logistiklösung einen neuen Transportkorridor für landwirtschaftliche Erzeugnisse schaffen wird, wofür ein Nachfragepotenzial im Hinterland von 80 Millionen Tonnen pro Jahr ermittelt wurde. Hinzu käme eine große Nachfrage nach Transportleistungen für mineralische Rohstoffe. Die Eisenerzexporte über den Hafen TPA sollen laut den Betreibern bis 2030 200 Mio. t/Jahr erreichen“.(²)

Rettet den Regenwald e.V. ist sich sicher: „Diese Steigerung der Produktion und Exporte bedeutet unausweichlich die Ausweitung der Landwirtschaft – insbesondere für den Anbau von Soja, Zuckerrohr (darunter für Ethanol), Mais, die Zucht von Rindern für die Fleischproduktion – sowie die Erweiterung des Bergbaus auf Kosten des Amazonasregenwaldes und der Cerrado-Savanne. Alle diese Aktivitäten sind Haupttreiber der Entwaldung in Brasilien.“(²)

Getreu dem DB-Motto „Klimaschutz kann auch einfach sein“ wird ein Projekt, das staatliche Naturschutzgebiete, international anerkannte RASMAR-Feuchtgebiete und unberührte Atlantik-Inseln zerstört zu einem „grünen Klimaschutzprojekt“ – es ist eben ein Zug, und der Tiefseehafen kann ja neben Erz und Soja auch „grüne Energie“ liefern.

Die wirklich besten Klimaschützer können da nur weinen.

Und so weinen die Mangroven.

Inmitten der Klimakatastrophe zerstört man sie dort, wo sie bisher noch die Gedichte der Krokodile bewahren, und mit ihnen den besten Schutz vor Überschwemmungen und steigendem Meeresspiegel.

Nicht weit von hier soll im kommenden Jahr die Weltklimakonferenz (COP30) stattfinden, in der brasilianischen Amazonas-Metropole Belém. Das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika, welches die Infoveranstaltung und die Kundgebung gegen die DB gemeinsam mit anderen NGOs und der JnT organisierte, schreibt:

„Die Klimakonferenzen der letzten Jahre waren eher frustrierende Veranstaltungen. Kaum Fortschritte, ein wachsender Einfluss der fossilen Lobby. Es scheint, dass der Klimawandel stärker voranschreitet als seine Bekämpfung. In dieser Situation wird Belém zu einem Ort der Hoffnung. Die Wahl des Ortes ist ein politisches Signal und hat großen symbolischen Wert. Amazonien und die tropischen Regenwälder der Welt spielen eine zentrale Rolle in der internationalen Klimapolitik, denn Entwaldung ist ein wichtiger Treiber sowohl der Klimakrise als auch des Biodiversitätsverlustes und bedroht den Lebensraum indigener Völker und traditionellen Gemeinschaften.“(⁴)

An einem Ort, der das Gegenteil von Hoffnung ausstrahlt, versammelt sich die wirkliche Hoffnung am Tag nach der Infoveranstaltung: Am 31. Mai 2024 erhebt Mikaell im Namen der JnT und der bedrohten Gemeinden Maranhãos seine Stimme vor dem riesigen Hochhaus der Deutschen Bahn. Und der Potsdamer Platz hört zu. Vielleicht ahnt er, dass, wenn die Lüge voranschreitet, die behauptet, Klimaschutz und Mangrovenzerstörung könne Hand in Hand gehen, auch er selbst in nicht allzu ferner Zukunft unter Wasser stehen könnte, so hoch, dass sich die Mangroven vielleicht sogar wohlfühlen, die Mangroven, deren heutige Tränen den Anstieg des Meeresspiegels sicher beschleunigen.

Können Bäume weinen? Oder bluten?

Brasilien ist immerhin benannt nach einem Baum, deren innere Flüssigkeit so rot ist wie Blut. Seine Blüten sehen aus wie verletzte Vögel. Er ist heute fast ausgerottet. (¹)

Doch Flavia spricht ihnen Mut zu, betont den Kampf der Frauen, der schwarzen Frauen, auch in ihrer Organisation (sechs von sieben im Präsidium sind Frauen). Und als flüstert sie es den Mangroven und dem verletzten Vogel-Baum mit seinen roten Adern zu, ihrem Fluss, und als donnere sie es gleichzeitig dem Hochhaus entgegen, in dessen Schatten die Kundgebung stattfindet, spricht sie:

„Wir sind die Schwächsten, die gegen die Stärksten kämpfen. Das ist aber auch die Schönheit unseres Kampfes.“

I have waged a thousand battles
and
Life has gifted me with
My dear friend the mangrove (⁵)


(¹) Frei nach Caio Kaufmann: „Saint of Unloved Monkeys“, in: Boston Review, (Online) (24.07.2020), https://www.bostonreview.net/articles/caio-kaufman-two-poems/, [zuletzt aufgerufen am 07.06.2024], [eigene Übersetzung].

(²) Rettet den Regenwald e.V.: „Brasilien: Schienen- und Hafenbau mit deutscher Beteiligung bedroht Mensch und Natur“ [Hintergrundrecherche], (Online), (04.03.2024), https://www.regenwald.org/news/11250/brasilien-schienen-und-hafenbau-mit-deutscher-beteiligung-bedroht-mensch-und-natur, [zuletzt aufgerufen 07.06.2024].

(³) amerika21: „Die Deutsche Bahn in Amazonien? Bahnprojekt bedroht lokale Gemeinschaften“, (Online), (30.05.2024), https://amerika21.de/termin/2024/05/269498/deutsche-bahn-amazonien, [zuletzt aufgerufen am 07.06.2024].

(⁴) Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika: „Letzte Hoffnung Belém?“, (Online), (05.04.2024), https://www.fdcl.org/publication/2024-04-05-letzte-hoffnung-belem/, [zuletzt aufgerufen am 07.06.2024].

(⁵) Frei nach Linver Nazareno: „A poem for the women of the mangroves“

Weitere Informationen:

Ein ausführlicher Bericht über den Aufenthalt der Aktivist:innen der JnT in Berlin und die öffentliche Kundgebung: https://www.regenwald.org/news/12284/protest-in-berlin-deutsche-bahn-raus-aus-amazonien

Zur geplanten Beteiligung der DB im GPM-Projekt:

https://www.misereor.de/presse/pressemitteilungen/brasilien-beschwerde-gegen-deutsche-bahn-ag

https://www.kooperation-brasilien.org/de/themen/landkonflikte-umwelt/deutsche-bahn-beteiligt-sich-bau-von-bahntrasse-und-hafen-im-munizip-alcantara-im-bundesstaat-maranhao-offene-fragen-nach-umwelt-und-menschenrechten

https://www.rosalux.de/news/id/52109/die-brasilianische-trasse-der-deutschen-bahn

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